La Réunion bietet der Welt das Beispiel eines harmonischen und friedlichen Zusammenlebens von Religionen und Gemeinschaften auf kleinstem Raum. Es tut nichts zur Sache, zu wem man betet: Der Glaube ist inbrünstig und Feiern und Kulthandlungen gut besucht. Auch über den Expedit (Heiliger) sind sich alle einig.
Kathedrale, Moschee, Tempel und Pagode
Die Insel aller ReligionenSaint-Denis, Saint-Pierre, Saint-André oder Sainte-Marie… es ist unübersehbar, dass die katholische Religion, die mit den ersten Siedlern auf La Réunion Fuß fasste, die Identität der Insel sehr stark geprägt hat. Ein Glaube, der seinen Ursprung überwunden hat: Aus dem zur Kolonialzeit erzwungenen Bekenntnis wurde echter Glaube, und heute finden sich Katholiken in allen Teilen der reunionesischen Bevölkerung: Afrikaner, Inder, Chinesen…
La Réunion wurde im Jahr 1905 zum Bistum Saint-Denis (kirchlicher Verwaltungsbezirk). Seit 1976 ist Monseigneur Gilbert Aubry, der erste Bischof, der aus La Réunion stammt, das geistliche Oberhaupt. Er ist auf der Insel allseits beliebt und geachtet. Mehrere Pilgerstätten, wie etwa Notre-Dame de La Salette in Saint-Leu oder die Vierge au Parasol in Piton Sainte-Rose ziehen eine tiefgläubige Menschenschar an. Auch die Missionare, die sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Sklaven einsetzten, wie Père Lafosse oder Frère Scubillon, werden sehr verehrt.
Die Hindu-Tempel
Die tamilischen Tempel, wo die malbare Gemeinschaft – abstammend von indischen Arbeitern, die nach Abschaffung der Sklaverei auf den Plantagen arbeitete – ihre hinduistischen Riten pflegt, sind ebenfalls zahlreich vertreten. Man kann nicht umhin, die kräftigen Farben zu bewundern, die Darstellung der Gottheiten, die liebevolle Pflege der Kultstätten.
Es gibt auf der Insel acht große Tempel, dessen wichtigster der Temple du Colosse in Saint André ist, und zahlreiche kleine malbare Kapellen (oft in Privatbesitz) in den verschiedenen Stadtvierteln. Dort werden Brahma, das höchste Wesen, Prinzip der Schaffung des Universums; Vishnou, der Hüter des Universums; und Shiva, der Zerstörer, der den Neubeginn verkörpert, verehrt. Jeder von ihnen ist auch einem weiblichen Prinzip zugeordnet: Brahma und seine Gefährtin Sarasvati, Vishnou und Lakshmi, Shiva und Parvati (in ihrer wohlwollenden Form) oder Kali (der zerstörerische Aspekt dieser selben Göttin). Ganesh, Sohn von Shiva und Parvati, symbolisiert mit seinen vier Armen und seinem Elefantenkopf die Weisheit und das Glück.
Im tamilischen Kalender gibt es viele Festlichkeiten, wie zum Beispiel Dipavali im Oktober (das Lichterfest) oder Cavadee (Büßerprozession) im Februar/ März. Die Gläubigen tragen schwere mit Blumen bedeckte Holzgestelle über lange Strecken hinweg; zu Ehren des Gottes haben sie sich den Körper an verschiedenen Stellen mit silbernen Nadeln durchstochen. Im Dezember oder im Juli schließlich (je nach Tempel und Mondkalender) finden die Pandialé-Feste statt, die dafür berühmt sind, dass die Gläubigen Büßergänge über glühende Kohlen antreten.
Die muslimische Gemeinschaft zählt etwa 25.000 Gläubige und ist sehr diskret – auch wenn man die Gebetsaufrufe der Muezzin in den Straßen, in denen die Moscheen stehen, nicht überhören kann… Die wunderschön Noor-E-Islam in Saint-Denis wurde 1905 erbaut und ist damit die älteste Moschee Frankreichs! Sie besitzt ein 32 Meter hohes Minarett und ihre Architektur ist stark indisch beeinflußt – was nicht zu verwundern ist, denn die Mehrheit der Muslime auf La Réunion (die hier „Zarabes“ heißen) stammt von indischen Muslimen ab.
Chinesische Tempel
Die chinesische Gemeinschaft ist zwar mehrheitlich katholisch, aber es gibt auch Gläubige, die in den Pagoden von Saint-Denis und Saint-Pierre unter der Leitung von Guan Di einen aus Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus gemischten Kultus ausüben. Die Festlichkeiten des Chinesischen Neujahrsfests, das je nach dem jeweiligen Mondkalender im Januar oder im Februar stattfindet, gibt Gelegenheit zu lautstarken Manifestationen: Drachen werden durch die Straßen geführt, es gibt Opfergaben für die Götter und der Lärm der Feuerwerks- und Knallkörper, von vielen menschlichen Stimmen unterstützt, verjagt die bösen Geister.
Die Vertreter aller dieser Gemeinschaften sind stolz auf ihre Feste und ihre Kultstätten, die genauso ein kulturelles Erbe sind wie andere touristische Sehenswürdigkeiten auch. Daher wird man stets Wert darauf legen, dass die Tage der Gottesdienste und die verschiedenen Ge- und Verbote, die jeder Religion eigen sind, streng beobachtet und taktvoll eingehalten werden.
Und schließlich – egal, welcher Religion man angehört: Sollte ein Problem auftauchen, heißt es, dem Expedit in einem der vielen kleinen Kapellen am Straßenrand einen Besuch abzustatten: Er ist für alle da!