Und entdecken Sie das Königreich der Marrons.
Mitten im Cirque de Salazie in der Ortschaft Hell-Bourg treffen wir uns mit der Gästeführerin Mélissa von der Vereinigung Ker Maron.Ker Maron entstand durch die Begegnung zweier Freunde, Mélissa und Rémi-Paul, die aufgrund gemeinsamer Interessen zueinanderfanden: Wald, Natur, die Geschichte von La Réunion, die berühmten Marons (entflohene Sklaven) und die Werte, für die sie stehen.
Diese Führung auf Kreolisch verspricht eine Zeitreise auf den Spuren der „Marronnage“, ein wichtiger und oftmals verkannter Teil der Geschichte der Insel.
Eine verkannte Geschichte: die entkommenen Sklaven von La Réunion.
Die Besichtigung beginnt am Dorfeingang am Nebengebäude des Rathauses von Hell-Bourg und schon genießen wir eine einzigartige Landschaft. Dazu muss man sagen, dass diese Ortschaft mit dem Gütesiegel „Schönste Dörfer Frankreichs“ ausgezeichnet ist! Wir bewundern auf der einen Seite den höchsten Gipfel der Insel, Piton des Neiges, und auf der anderen den Eingang zum Felsenkessel und seine pflanzenbewachsenen Steilwände.
Mélissa begrüßt uns herzlich und dies ist der Beginn eines spannenden Abenteuers.
Unsere Führerin bietet uns einen Einblick in die Sklaverei, die seit der Besiedlung der Insel in den 1660er-Jahren fast die Hälfte der Geschichte von La Réunion geprägt hat.
„Was ich Ihnen erzählen werde, ist die Frucht jahrelanger persönlicher Recherchen. Die Frucht von Stunden, die ich damit verbracht habe, in Geschichtsbüchern über La Réunion zu lesen, aber auch vergessene Dokumente durchzusehen, die uns fehlende Puzzlestücke liefern“, verrät Mélissa. Im Lauf der Gespräche erfahren wir, wer die „Marrons“ gewesen sind; es handelt sich um den Namen, der Sklaven gegeben wurde, die von den Anwesen ihrer Herren flohen und auf den Höhen, insbesondere in den Felsenkesseln der Insel, Zuflucht fanden. „Die Maronage beginnt schon mit den Anfängen der Besiedlung der Insel, denn die ersten Sklaven flohen, sobald sie hier angekommen waren!“
Salazie, die Wiege des ersten Königreiches der Marons.
Salazie soll die Wiege des ersten Königreiches der Entkommenen gewesen sein. Mélissa erzählt uns von der mutmaßlichen Ankunft der ersten Geflüchteten in der Region von Sainte-Suzanne, die in diesem feindseligen Milieu, in das sich ihre Herren nicht vorwagten, Zuflucht gefunden haben sollen. „Im Gegensatz zu ihren aus Europa stammenden Herren kannten sie dieses Umfeld mit seinen Reichtümern und seinen Gefahren. Sie wussten zum Beispiel, was sie essen konnten“, erklärt sie uns, während sie auf eine hübsche, blühende Begonie zutritt. Unsere Führerin pflückt ein paar Blütenblätter und reicht sie uns. Niemand von uns hätte geahnt, dass man diese kleinen weißen Blüten essen kann! Sie schmecken säuerlich, ein bisschen wie ein sehr grüner Apfel!
Wir setzen unseren Spaziergang in Richtung Plateau Sisahaye fort, während Mélissa mit ihren Schilderungen zur Geschichte der Maron-Könige fortfährt. „Man hat oft das Bild des Maron vor Augen, der alleine flieht, im Wald lebt und sich fürchtet, aber so war es ganz und gar nicht“, versichert sie. „Unsere Vorfahren hatten wahre Geflüchtetenlager gebaut, die von Häuptlingen angeführt und von Kriegern beschützt wurden.“
Das Gespräch mit Mélissa geht weiter. Sie antwortet auf alle unsere Fragen zu den Lebensbedingungen in den Lagern, ihrer Anzahl oder ihrem Standort. Bei der Gelegenheit erzählt uns unserer Führerin von der madagassischen Herkunft zahlreicher typischer Orte von La Réunion wie Bélouve oder Bemahot. Das Erlebnis, das sie uns bietet, geht über eine bloße geschichtliche Darstellung hinaus und entfaltet sich zu einem Abenteuer in der Vergangenheit.
„Man darf nicht vergessen, dass uns die Geschichte der Marons von der Macht, die die Sklaverei befürwortete, und von Jägern, die Schwarze jagten, geschildert wird, in Form von Zeitungsbeilagen, die die Maronage-Ausbrüche belegen, Berichten über die einstweilige Versetzung von Jägern oder Protokollen“, erläutert sie. „Man muss also zwischen den Zeilen lesen.“
Ein Seil und ein geselliges Mahl für freundschaftliche Bande rund um die Maronage.
Unser Spaziergang durch die Straßen der Ortschaft endet in einem schönen Grünbereich mit atemberaubender Sicht. Hier lassen wir uns auf Matten zu einem Lehrgang im Flechten nieder. Dieser Ort am Eingang der Stadt ist friedlich und wir lauschen dem Gesang der Vögel. „Wir flechten ein Seil aus Ramie-Holz, einer exotischen Pflanze, die sich stark ausbreitet“, führt Mélissa aus. „Dies ist auch eine symbolische Art, Bande zu knüpfen.“
Für einen gebührenden Ausklang dieses hautnahen Erlebnisses begibt sich unsere kleine Gruppe ins Restaurant Ô Typiquement Kréol. Hier wird in gemütlicher Atmosphäre eine authentische Inselküche angeboten. Von der aus Chouchou- und Karottenkrapfen bestehenden Vorspeise bis hin zu Hauptspeisen wie Hähnchen-Cari mit Kaffernlimette oder Cari Camarons (mit Süßwassergarnelen) bietet jeder Bissen Gelegenheit, die lokalen Aromen zu genießen. Wir beenden dieses kreolische Menü mit einer süßen Note in Form eines handgefertigten Mandel- und Geranieneises, eine sehr überraschende Geschmacksrichtung!
Zeit, von unserer passionierten Führerin Abschied zu nehmen, mit der es uns ein Vergnügen war, in einer einzigartigen Umgebung in der Natur die Geschichte von La Réunion zu entdecken und den Austausch bei einem traditionellen kreolischen Essen fortzuführen. Ker Maron bietet wesentlich mehr als nur eine Führung. Es ist ein Eintauchen in die wahre Seele von La Réunion mit vergessenen Geschichten derer, die sich für die Freiheit entschieden hatten.